Ich sitze. Starre. Denke. Jeden Tag.
DING DANG DONG
Atme vor Erleichterung aus. ENDLICH!
Ich stehe auf, gehe im die Bücherei und mache meine Hausaufgaben für die nächste Stunde, um nicht noch mehr Ärger zu bekommen. Oder nehme mir ein Buch und tue so als ob ich lesen würde. Mit dem Rücken an die warme Heizung gelehnt. RUHE.
DING DANG DONG
Na toll… Englisch! Langsam stehe ich auf, gehe im den Unterricht. Laaaangweilig! Ich bin mit der Aufgabe fertig und hole meine Spanischsachen raus. Mein Lehrer taucht vor mir auf. ,,Joy, please put this away! “ ,,Why?“ ,,Because I am getting angry now! You can’t do spanish in an english lesson. “ Schulterzuckend schlage ich mein Heft zu. Eine Diskussion bringt nichts, dass weiß ich aus Erfahrung. Nächste Aufgabe. Wieder bin ich schnell fertig. Auch wenn ich nur eine 3 in Englisch habe, bin ich nicht schlecht, das weiß ich. Ich schlage meine Spanischsachen wieder auf. Nach einer Weile taucht mein Lehrer wieder auf. ,,Joy! Put this away! I am really getting angry now! I am sorry, but I have my principles!“ Ich frage mich welche Prinzipien…? Was hat es für einen Sinn mir lernen zu verbieten, wenn ich mit den Aufgaben schon fertig bin und nichts zu tun habe? Ich rolle mit den Augen. Auch das kann ich gut. Ich habe genügend Gelegenheiten zum üben. Ich schlage mein Heft zu und warte. 3 Minuten vor Unterrichtsschluss melde ich mich. Mein Lehrer unterbricht sich und nimmt mich dran. ,,Yes, Joy?“ ,,May I go to the toilet? “, frage ich unschuldig. Der Lehrer guckt auf die Uhr. ,,Can you please wait for 3 minutes, I am nearly finished! “ Ich stehe auf. ,, I am sorry, but I have my principles!“, sage ich und gehe raus. Draußen kann ich mir ein lautes Lachen nicht verkneifen. Ich habe immer noch das verdutzte Gesicht von meinem Lehrer vor Augen! Ich gehe zum Klo und schaue in den Spiegel. Starre. Denke. Ein Gesicht was schön sein könnte, wenn es nicht bleich mit unnatürlich vielen Sommersprossen wäre. Eigentlich mag ich meine Sommersprossen, aber sie stehen für Sommer, Fröhlichkeit und Sonne. Und das beißt sich irgendwie mit der blassen Haut und den Augenringen. Groß. Dunkel. Insgesamt sehe ich sehr verwahrlost aus. Auch die Haare! Ein unordentlicher Dutt, der schon angefangen hat sich aufzulösen. Blonde Strähnen hängen mir vom Kopf. Aber was soll’s! Mir ist egal, was die Leute denken! Ich gehe zur nächsten Stunde. Deutsch. Es geht um Interpretation von Kurzgeschichten. Eigentlich mag ich dieses Thema nicht. Ich frage mich immer welchen Lerneffekt es hat, Kindern für ihre Meinung eine Note zu geben. Denn dann schreiben die Kinder nicht ihre eigene Meinung, sondern überlegen sich nur, was der Lehrer hören möchte. Aber jetzt melde ich mich doch, denn ein Junge aus meiner Klasse labert Unsinn. Nur um dem Lehrer zu gefallen. Meine Lehrerin guckt sich um. Nimmt alle dran, bis nur noch ich übrig bin. Sie weiß, was kommt. Wenn ich Glück habe, nimmt sie mich dran. Wenn ich Pech habe, ,,übersieht“ sie mich und fängt ein neues Thema an. Heute habe ich Glück. Meine Diskussion mit dem jungen ist kurz. Er weiß nicht, was er erwiedern kann und versucht sich rauszureden. ,,Ich hab das ja nicht SO gemeint! Ich meinte was ganz anderes!“ … Wie immer! Pech! Denk mal selber, dann würdest du nicht immer wie der letzte Vollidiot dastehen! Aber was mach ich ihm Vorwürfe? Nicht jeder hatte so eine freie Erziehung.
DING DANG DONG
Atme erleichtert aus. Jetzt kann ich nach Hause!! Ich fahre Fahhrad. So wie eigentlich jeden Tag. Mein Schulweg ist lang, fast 11 km. Wahrscheinlich würden meine Eltern mich sogar fahren, aber ich möchte die Umwelt nicht noch mehr belasten. Manchen tue ich leid, weil ich fast eine 3/4tel Stunde Fahrrad fahren muss. Aber mir macht es Spaß! Ruhe. Alleine. Vogelgezwitscher. Bewegen. Atmen. Frei. Ich denke. Oder besser gesagt, tagträume. Ich habe Geschichten im Kopf. Kann mich in Personen hineinversetzen. Ich habe gelernt meine Gedanken zu kontrollieren. Normalerweise. Jetzt habe ich Vorstellung von schreienden, weinenden Kindern im Kopf, brennen Wäldern, Menschen, denen nicht geholfen wird, und alles wegen Geld, Geiz, Egoismus. Ich genieße die Fahrt trotzdem. Ich könnte von etwas fröhlichem träumen, aber es macht einfach keinen Sinn. Ich habe auch nichts gegen mein trauriges Spiegelbild. Es wäre einfach nicht echt, wenn ich so aussehen würde, als wenn alles okay wäre. Ich komme an. Meine Mutter kocht gerade. Sie sieht mich reinkommen. Ich gehe in die Küche. Sie umarmt mich. Lange halten wir uns fest. Egal was man sich einredet, jeder Mensch braucht einen anderen Menschen, den er umarmen kann. Meine Mutter riecht gut. Nach Mutter eben. Sie lässt mich los um unseren Mittagessen umzurühren. Sobald sie wieder frei ist, schließe ich sie wieder in die Arme. ,, ich bin echt kein typischer Teenager, oder? Ich mag es, meine Eltern zu umarmen!“, sage ich lachend. Auch wenn es jetzt so scheinen mag als wenn es mir zu Hause gut geht, stimmt das nicht ganz. Denn wir ziehen bald um. Ich will hier nicht weg. Ich sehe ein dass es nötig ist, aber ich will hier nicht weg. Weg von dem riesigen Garten, den Kletterbäumen, der 15m hohen Schaukel, die mein Vater aufgehangen hat, weg von dem Fußballplatz, von dem riesigen Wald, in dem wir immer Tipis gebaut haben. Es ist der Ort, der mich in die glücklichsten Jahre meines Lebens erinnert. Als meine großen Geschwister noch zu Hause gelebt haben, als meine beste Freundin noch neben mir wohnte. Der Ort an dem ich glücklich war. Abends liege ich im Bett. Ich kann nicht schlafen wie jeden Abend. Ich habe heute keine Hausaufgaben gemacht. Aber was soll’s! Ich habe auch nicht für die Lateinarbeit gelernt. Egal! Ich sehe keinen Grund, warum ich das machen sollte. Aber ich weiß, dass ich am nächsten Tag in die Schule muss. Besser gesagt an diesem Tag. Nachdenklich betrachte ich die Narben an meinem Arm. Feine Striche. Ich will sie nicht mehr haben! Morgen geht es wieder los, denke ich. Ein Teufelskreis.
Jetzt geht es mir gut, aber drückt mir sie Daumen, dass es nicht genauso weiter geht, wenn die Schule wieder anfängt.
Bleibt gesund! Am besten zu Hause!! Denkt an all die Menschen, denen nicht geholfen wird… setzt euch für die ein. Schreibt euren Abgeordneten, sich für die Evakuierung der Flüchtlinge aus Moria einzusetzen! Jetzt ist die Zeit, wo Deutschland beweisen muss, dass es mehr kann, als Verträge nicht einzuhalten und rumzulabern, während es auf der Kohle hockt!